1. Geschichte der Kreuzberger und Stettiner Hinterhöfe

 

  1. Hinterhöfe in Berlin

 

Nun ist Berlin für seine Hinterhöfe bekannt. Sie dienen nicht nur als grüne Oasen für die Stadtbewohner*innen und die Stadtfauna, sondern auch als Touristenmagnet. Die Stadtführungen durch Hinterhöfe Berlins werden unter Stadtbesucher*innen immer mehr beliebt.

Allerdings wurden die Berliner Hinterhöfe nicht immer geschätzt, so Jens Sethmann. In seinem Artikel „Blüte, Niedergang und Wiederauferstehung des Berliner Hinterhofs“ betrachtet er die historische Entwicklung der Hinterhöfe Berlins (Sethmann, 2012). Laut des Autors wurde die Hinterhofbebauung in dem 19. Jahrhundert „als Ursache für soziales Elend und hygienische Missstände“ gesehen. Eine Basis für diese Bauform hat der Hobrecht-Plan 1862 gelegt:

„Der Ingenieur James Hobrecht entwarf einen Stadterweiterungsplan mit einem sehr weitmaschigen Straßennetz und entsprechend großen Baublöcken. Die einzelnen Baugrundstücke zogen sich deshalb sehr tief ins Blockinnere. In der nach der Reichsgründung 1871 rasant wachsenden Hauptstadt waren die Bauherren bestrebt, möglichst viel aus ihren Grundstücken herauszuholen, sprich: möglichst dicht zu bauen.“ (Sethmann, 2012)

Obwohl die Hinterhofbebauung derzeit auch in anderen Großstädten stattfand, wurde nur in der sich rasch entwickelnden Hauptstadt so dicht gebaut. Die Mietskasernenkritik hat schon zu Beginn der Bebauung angefangen. Sie waren oft überfüllt, zu dicht aneinander gebaut und ihre Bewohner*innen litten häufig unter unerträglichen Lebensbedingungen. Trotz der heftigen Kritik wurden Seitenflügel und Quergebäude bis 1914 gebaut. Erst 1925 wurde es verboten, sie zu bauen (Sethmann, 2012).

Von den 50er Jahren bis in die 70er Jahre wurden in vielen Stadtvierteln mit der Kahlschlagsanierung die Altbauten abgerissen, damit an ihrer Stelle neue Wohnhäuser gebaut werden konnten. Erst viel später in den 80er Jahren wurden die Hinterhäuser mit ihren Hinterhöfen als Potenzial gesehen:

Mit der Internationalen Bauausstellung 1984/87 wurde schließlich die “behutsame Stadterneuerung” zum Programm: Hinterhöfe wurden nicht mehr von vornherein als städtebaulicher Mangel angesehen, sondern als Potenzial erkannt“ (Sethmann, 2012).

Folglich hat diese Perspektive zur Renaissance der Hinterhöfe Berlins geführt, wovon die Begrünung von Hinterhöfen ein wichtiger Teil war.

 

Hinterhöfe in Stettin

Die Entwicklungsgeschichte des Projektes Grüne Höfe Stettins (Zielone Podwórka Szczecina) wurde zutreffend von seinem Initiator Grzegorz Czarnecki im Artikel beschrieben, der auf www.podwórka.pl veröffentlicht wurde (Czarnecki, 2010). Der Autor erwähnt zunächst, wie die Situation der Hinterhöfe Stettins unmittelbar nach dem Krieg aussah. Benachteiligte und mittellose Bewohner*innen der zentralen Regionen Polens wurden in leere Wohnungen in Mietskasernen Stettins gelockt, ohne sich um den Aufbau des sozialen und organisatorischen Kapitals der Bewohner*innen zu kümmern, das für ein harmonisches Leben miteinander in Mietskasernen der Stadt nötig war. Außerdem haben viele der neuen Stadtbewohner*innen gedacht, dass Stettin nur vorübergehend innerhalb der neuen polnischen Grenzen bleiben würde. Folglich wurden bis 1959 aus Stettin Ziegelsteinen zum Wiederaufbau Warschaus geschickt. Gleichzeitig fand die Zerlegung der Elemente von Gartenanlagen und kleiner Gartenarchitektur in den Vorgärten und Innenhöfen Stettins statt (Czarnecki, 2010).

Die neuen Stadtbewohner*innen interessierten sich nicht für die Anliegen, die nicht zu ihrer Wohnung gehörten, und die Hausverwalter*innen interessierten sich nicht für die Ästhetik der Orte, sondern setzten Beton ein oder legten Platten in die Hinterhöfe im Rahmen des „Aufräumens“. Dies führte am Ende des 21. Jahrhunderts zu einer ästhetischen Baufälligkeit der Hinterhöfe im Zentrum Stettins, die grau, langweilig und vernachlässigt geworden sind (Czarnecki, 2010).

Der Beginn der deutsch-polnischen Zusammenarbeit, die Mitte der 90er Jahre zwischen polnischen Aktivisten*innen, der Städtepartner Stettin e.V. und Regenbogenfabrik Berlins stattfand, löste dann eine Veränderung in den Hinterhöfen Stettins aus.

Diese Kooperation hat schließlich 2008 zur Einführung des neuen Programms der Stadt Stettin namens „Grüne Hinterhöfe Stettins“ (Zielone Podwórka Szczecina) geführt. Das Programm wurde vom Stadtrat verabschiedet. Für die Umsetzung des Programms ist Zarząd Budynków i Lokali Komunalnych (die Verwaltung von kommunalen Gebäuden und Räumlichkeiten) verantwortlich. Eine Million Zloty pro Jahr wurden von der Stadt für die Begrünung der Hinterhöfe bereitgestellt.

Allerdings wurden nicht alle Stadtbewohner*innen in das Programm der Stadt aufgenommen. Für die Teilnahme mussten bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Die Gebiete, die nicht zur Gemeindeverwaltung gehören, oder die Gemeinschaften, die keine Nutzungsvereinbarung mit der Stadt geschlossen haben, sowie die Gemeinschaften, denen der Hinterhof gehört, konnten keine Finanzierung aus dem kommunalen Programm beantragen.

Die Höhe des Zuschusses sollte auch davon abhängen, ob die Wohngemeinschaft beschließen würde, den Spielplatz einzurichten. Wenn im Rahmen des Programms ein Spielplatz gebaut werden sollte, übernahm die Stadt bis zu 95% der Projektkosten, während ohne den Spielplatz die Finanzierung 75% der Kosten betrug.

Zusätzlich stellen die Siedlungsräte auch kleine Subventionen für die Modernisierung von Spielplätzen, Sportplätzen und Grünflächen bereit.

Im Jahr 2015 wurde zusätzlich das kommunale Programm „Grüne Vorgärten Stettins“ (Zielone Przedogródki Szczecina) etabliert, dessen Umsetzung auch in der Verantwortung des Verwaltungsrates für kommunale Gebäude und Räumlichkeiten liegt. Beide Programme der Stadt sind bis heute aktuell und dauerhaft verändern das Bild Stettins (Wiadomości Stettin, 2019).

Aufgrund der Beliebtheit des Programms bei den Stadtbewohner*innen wurde der für die Begrünung der Hinterhöfe zugewiesene Betrag im Jahr 2020 auf 2 Mio. PLN verdoppelt (Infoludek.pl-Portal, 2020).