Alternatives Stettin

Stettin ist kein typisches Reiseziel. Unter polnischen Touristen ist die Stadt vor allem aufgrund der langen Anfahrtszeit aus den Tiefen des Landes nicht attraktiv, unter ausländischen Touristen kann sie nicht mit den größeren und beliebteren Orten Polens, wie Krakau, Danzig oder Warschau, konkurrieren. Nichtsdestotrotz ist sie einen Besuch wert, denn sie ist eine außergewöhnliche Stadt und daher äußerst interessant. Hier findet ihr keinen für polnische Städte typischen Marktplatz. Nicht einmal eine Altstadt, denn sie wurde im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört und aus diffusen geopolitischen Gründen keine historische Rekonstruktion erfuhr. 

Und wenn ihr die Einwohner nach dem Zentrum fragt? Dann behauptet jeder etwas anderes. In seiner langjährigen Geschichte regierte Stettin unter anderem die Dynastie der Gryfiten, Schweden, Dänen, Franzosen, Deutschen und seit ungefähr 80 Jahren Polen. Die Spuren dieser multikulturellen Geschichte sind bis heute im Stadtgefüge sichtbar. Stettin musste sich nach dem Zweiten Weltkrieg neu definieren. Die Mischung der Bewohner, die hier gewaltsam oder aus freiem Willen angesiedelt wurden, die Distanz zum Rest des Landes, die Grenznähe, politische Entscheidungen – all dies begründet die außergewöhnliche Atmosphäre, die in Stettin herrscht. Eine Stadt, die auf den ersten Blick abschrecken mag (außer Produzenten von Noir-Krimifilmen, die häufig in Stettin gedreht werden), erweist sich als wunderbarer Ort zum Leben, zur Selbstverwirklichung und Erholung. Eine Stadt, die weder polnisch noch deutsch ist. Sie ist zwar eine polnische Stadt, deren Bewohner sich jedoch unter geografischen, mentalen als auch alltäglichen Gesichtspunkten Berlin näher fühlen als Warschau (auch wenn lokale Politiker dies bedingt durch die politische Situation im Land nur ungern zugeben).

Ich möchte euch dazu einladen, einen Reiseführer zu lesen, der sich von allen anderen unterscheidet. Einen Reiseführer, der die Realität nicht beschönigt; in dem ihr nicht die typischen Touristenattraktionen finden werdet (obwohl diese in Stettin wirklich sehenswert sind!). Der alternative Reiseführer für Stettin richtet sich vor allem an Menschen, die die Stadt auf eine andere Art und Weise besuchen möchten; die ungewöhnliche Orte kennenlernen, die Atmosphäre der Stadt und ihre Funktionsweise spüren wollen und für die ein einfacher Spaziergang entlang der Touristenroute nicht ausreicht. Obwohl man eine mehrbändige Serie über interessante Orte in Stettin schreiben könnte, werde ich mich auf meine Lieblingsorte konzentrieren, die ihr nicht in einem typischen Reiseführer finden werdet. Diese Orte fangen den Geist dieser andersartigen, nicht vollständig definierten Stadt perfekt ein.

Industrielles Stettin

Diese Sehenswürdigkeit ist vor allem für Liebhaber von Technik und Industrie interessant. Stettin ist seit langem mit der maritimen Industrie und dem Schiffbau verbunden. In den Stettiner Werften wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts einige der größten und modernsten transatlantischen Linienschiffe gebaut. Zu dieser Zeit war die Stettiner Werft in der maritimen Industrie weltweit bekannt. Die Schiffbautradition wurde unter polnischer Herrschaft fortgesetzt, und Stettin wird seit vielen Jahren mit der Werft in Verbindung gebracht. In Stettin und nicht in Danzig (wie allgemein angenommen wird) wurde das erste Augustabkommen zwischen den streikenden Werftarbeitern und den Kommunisten unterzeichnet, das zum Zusammenbruch des Kommunismus in Polen führte. Das Ende der großen Schiffbauindustrie in Stettin kam mit der Schließung der unrentablen staatlichen Werft im Jahr 2009 – und löste eine große sozioökonomische Krise in der Stadt aus, deren Auswirkungen noch heute in der Stadt zu spüren sind. 

Heute ist Stettin keine Industriestadt mehr und die lokalen Behörden konzentrieren sich auf eine stärkere wirtschaftliche Diversifizierung, um ähnliche Wirtschaftskrisen zu vermeiden. Einer der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige in Stettin und in der Region sind die erneuerbaren Energien. Trotzdem gibt es in der Stadt immer noch eine Reihe kleinerer, privater Schifffahrts- und Schiffbauunternehmen, deren Aktivitäten unter anderem von der kleinen Insel „Ostrów Brdowski“ aus beobachtet werden können. Auf der Insel ist mit dem Bau einer Fabrik, die kürzlich von einem Windturbinenriesen gekauft wurde, ein öffentlich zugänglicher Boulevard entstanden, der einen erstaunlichen Blick auf Krananlagen, Schiffe und Hafenarbeiten bietet. Das Gelände ist – vor allem im Sommer – zu einem beliebten Treffpunkt für junge Leute und… Fischer geworden. Es lohnt sich, den Ort zu besuchen, am Wasser zu sitzen, etwas Erfrischendes zu trinken und die einzigartige Atmosphäre der Stettiner Werft zu erleben. 
In der Nähe des Boulevards befindet sich auch der höchste Kran Europas.
Um auf die Insel zu gelangen, muss man die “instagram-freundliche“ Brda-Brücke überqueren. Vom Stadtzentrum aus kann man die Insel mit der Straßenbahn erreichen, wobei man an der bereits erwähnten eingestürzten Werft vorbeikommt. Erholung in einer industriellen Umgebung mag seltsam erscheinen, ist aber hier möglich….

Standort der Brücke, die auf die Insel führt: Brdowski-Bridge 

Zentralfriedhof

Obwohl der Zentralfriedhof in vielen Reiseführern zu finden ist, konnte ich es nicht versäumen, ihn zu erwähnen… Wenn ich Freunden, die Stettin besuchen, einen Spaziergang über den Friedhof empfehle, löst das oft große Überraschung aus. Der Friedhof wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts angelegt, als die Stadt im Zusammenhang mit der Beseitigung der Festung und der Bebauungsfreigabe der Gebiete vor den Festungsmauern eine massive Erweiterung und Neugestaltung erfuhr. Zu dieser Zeit wurde der Bau eines der größten Friedhöfe Europas beschlossen, der von Anfang an auch als Park geplant war. Deshalb ist ein Spaziergang durch die Gassen des Stettiner Zentralfriedhofs auch so besonders: Wunderschöne Alleen, exotische Pflanzen, Brunnen, Sichtachsen, ein Haupttor aus Backstein, eine Kapelle, aber auch die Ruinen eines Forts und… eine holländische Windmühle – all das kann man bei einem Spaziergang durch die Gassen des Zentralfriedhofs entdecken. Viele Stettiner wählen diesen Ort für Spaziergänge, Radtouren, Inlineskaten oder Verabredungen aus. Dies löst bei einigen älteren – oft religiösen – Stettinern Verwunderung und Empörung aus, für die Jüngeren jedoch ist es völlig normal. Auf dem Friedhof finden gelegentlich auch kulturelle Veranstaltungen statt, darunter das jährliche Konzert „Für diejenigen, die nicht von der See zurückkehrten“.

Bei einem Spaziergang über den Friedhof kann man sowohl polnische als auch deutsche Gräber und Denkmäler finden, und die Friedhofskapelle, in der täglich bis zu 40 Beerdigungen stattfinden, ist multikulturell (was auf polnischen Friedhöfen nicht selbstverständlich ist). Außerdem haben die Friedhofsgänge die Form des Skarabäus, eines Freimaurersymbols. Grund dafür ist, dass es in Stettin zur Zeit der Errichtung des Friedhofs eine starke Freimaurerloge mit erheblichem Einfluss auf die städtischen Behörden und die lokale Elite gab. Der Friedhof ist nicht der einzige Ort, an dem die Freimaurer ihre Spuren hinterlassen haben.

Links vom Haupttor des Friedhofs befindet sich ein Lapidarium, in dem die Gräber der Vorkriegsbewohner der Stadt aufbewahrt werden. Es gibt auch zwei Wanderwege: einen historischen Weg und einen Naturlehrpfad. Es empfiehlt sich, den Friedhof am Wochenende zu besuchen, da an Wochentagen die Zufahrt mit dem Auto erlaubt ist und einen stressfreien und ruhigen Besuch beeinträchtigt. Das Haupttor des Friedhofs ist vom Stadtzentrum aus mit der Straßenbahn zu erreichen, am Tor gibt es auch eine Fahrradstation. Ein Spaziergang über den Zentralfriedhof ist ein ganz besonderes Erlebnis, das, wie einige meiner Freunde zugeben, auch dazu beiträgt, sich des Todes bewusst zu werden.

Es mag zwar absurd erscheinen, zwischen Gräbern und in Gesellschaft von Beerdigungen zu ruhen, aber genau das findet man hier vor….

Standort Haupttor Zentralfriedhof: Central Cemetery in Szczecin

Kultur

Im Kulturleben Stettins ist wirklich viel los. Das zeitgenössische Theater ist in letzter Zeit in Polen und international für seinen partizipativen Ansatz und die Auseinandersetzung mit sozialen Themen bekannt geworden. Folgende Themen wurden in letzter Zeit im Theater diskutiert: Sexualerziehung, der Zustand der Kinderpsychiatrie in Polen, die Rechte von LGBTQ+ Menschen oder die Sexualität von Menschen mit Behinderung. 

Eine weitere städtische Kultureinrichtung ist die Galerie für zeitgenössische Kunst TRAFO, die in einem verlassenen Bahnhofsgebäude eingerichtet wurde. TRAFO ist bei einem Kurztrip nach Stettin auf jeden Fall einen Besuch wert. Diese Einrichtung befasst sich auch mit wichtigen gesellschaftlichen Themen, organisiert Workshops und Treffen… Die letzten Ausstellungen befassten sich beispielsweise mit der Klimakrise, der Ausbeutung von Arbeitern oder dem Holocaust. TRAFO fördert auch die Aktivitäten lokaler Künstlerinnen und Künstler, die insbesondere mit der preisgekrönten Kunstakademie in Stettin verbunden sind, der jüngsten staatlichen Universität Polens mit außergewöhnlichen jungen Akademikern und äußerst kreativen Studierenden. Das Neonschild an der Stirnwand der Galerie trägt die Aufschrift „Free City Szczecin“, eine Anspielung auf die in Stettin herrschende künstlerische Freiheit, die in der gegenwärtigen politischen Situation, vor allem in staatlichen Einrichtungen, nicht selbstverständlich ist (obwohl auch in Städten, die von der Opposition regiert werden, die Behörden oft Druck auf Künstler ausüben).

Wenn man in der Hauptstadt der Woiwodschaft Westpommern ist, sollte man TRAFO auf jeden Fall besuchen. 

Stettin entwickelt sich zu einem sehr wichtigen Ort auf der kulturellen Landkarte Polens, obwohl dies von einer Stadt, deren Kunstakademie erst 13 Jahre alt ist und deren erste Universität erst nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurde, kaum zu erwarten ist.

Standort TRAFO: TRAFO Trafostacja Sztuki

Pogodno

Ein Villenviertel unweit des Stettiner Stadtzentrums, das einen großen Eindruck macht. Ein idealer Ort für einen Architektur-Spaziergang. Hier gibt es nicht nur schön verzierte Villen, sondern auch ausgefallene Gebäude von einigen Bewohnern des Stettins des frühen 20. Jahrhunderts. Im Stadtteil Pogodno findet man neben aufwändig verzierten Villen und modernistischen Häusern auch Villen im Stil englischer Schlösser… 

Pogodno ist ein Zwillingsbezirk des Berliner Westends und besondere Ähnlichkeiten lassen sich bei einem Spaziergang um den Jakub-Wujek-Platz in Stettin und den Branitzer Platz in Berlin feststellen. Die Ähnlichkeit der Bezirke ist auf die gleichen Investoren in beiden Städten zurückzuführen – die philanthropische Stettiner Familie Quistorp, deren Beiträge zu Stettin von unschätzbarem Wert sind. Ihnen ist es zu verdanken, dass in Stettin eine schöne Stadtplanung, Krankenhäuser, Schulen und Parks entstanden sind, an denen sich die Stettiner auch heute noch erfreuen. Die Quistorps waren auch dafür bekannt, dass sie die ersten Fabrikbesitzer waren, die sich um die sozialen Belange ihrer Angestellten kümmerten, lange bevor dies zur Pflicht wurde. Der Name der Familie Quistorp sollte bei einem Besuch in Stettin unbedingt bekannt sein. Ihnen ist es zu verdanken, dass ein wunderschönes Villenviertel entstanden ist, das heute zu den begehrtesten Stadtvierteln der Stadt gehört.

Denn wer möchte nicht in einer historischen Gegend voller Grün leben, in einem Haus mit Garten, nicht weit vom Stadtzentrum entfernt… Ihr solltet euren Besuch in Pogodno mit einem Besuch des Pogodno-Marktes abschließen, einem der vielen kleinen Handelsplätze in Stettin, wo lokale Unternehmer köstliche und frische Produkte verkaufen. 

Wie ich bereits erwähnt habe, entwickelt sich Pogodno zu einem der begehrtesten Orte der Stadt, und so verändert sich auch der Markt. Seit einigen Jahren tauchen hier neue lokale Unternehmer auf, die nicht mehr nur Obst, Gemüse, Unterwäsche oder Secondhand-Kleidung verkaufen, sondern Cafés oder kleine Gastro-Punkte eröffnen. So entsteht ein erstaunliches Aufeinandertreffen der Generationen. Wenn man durch die Gassen des Pogodno-Marktes schlendert, trifft man auf ältere Damen, die billige Klamotten verkaufen, und junge Hipster, die vor einem der Cafés einen Kaffee schlürfen. Ich weiß nicht, wie lange der Pogodno-Markt seinen Charakter beibehalten wird und kann nicht beurteilen, ob diese Veränderungen gut oder schlecht sind, aber sie sind auf jeden Fall interessant und ermöglichen es uns, verschiedene Welten an einem Ort zu beobachten. Obwohl es schwer vorstellbar ist, dass Handel im Stil des polnischen Frühkapitalismus mit Hipster-Lokalen koexistiert, ist es hier genau der Fall…

Standort Jakub Wujek Platz: plac Ojca Jakuba Wujka

Entspannung: Arkoński Wald

Stettin ist eine der grünsten Städte Polens. Mehr als die Hälfte der 400.000-Einwohner-Stadt besteht aus Wasser und Grün und beherbergt unter anderem den viertgrößten See Polens, sowie zwei Urwälder. Bemerkenswert ist, dass die Wälder innerhalb der Stadtgrenzen nicht der üblichen Forstwirtschaft unterliegen, sodass der Wald und die Natur dort weitgehend intakt sind. Die Überreste des Vorkriegs-Stettins – alte Fundamente, Kanäle, Ruinen, alte Denkmäler, geflutete Minen, das Wrack eines Betonschiffs – all das findet man in den Wäldern und Seen Stettins. Es lohnt sich, mindestens einen Tag in Stettin der Natur zu widmen, den Geist zu regenerieren und eine Radtour oder eine Wanderung durch die Wälder, eine Kanu- oder Motorbootfahrt zu unternehmen und die Flussarme der Oder und des Dąbskie-Sees zu bewundern. Über die grünen Routen Stettins ließe sich ein eigener Reiseführer schreiben, daher werde ich nicht für eine bestimmte Route werben, denn sie sind alle empfehlenswert und einige von ihnen sind in anderen Reiseführern zu finden. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es sich lohnt, die Natur in Stettin zu genießen, denn nur wenige andere Städte können sich einer ähnlich reichen Natur rühmen. Am einfachsten vom Stadtzentrum erreichbar scheint mir der Arkonawald zu sein, der mir besonders am Herzen liegt und vom Stadtzentrum über Radwege, Parkalleen sowie mit der Straßenbahn erreicht werden kann.

Standort Arkoński Wald: Arkoński Forest Park

Kückenmühle

Ein interessanter Ort – und einer, der in Reiseführern völlig übersehen wird – ist die Kückenmühle (Kurzy Młyn), die Überreste einer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründeten Anstalt für geistig behinderte Kinder. Es handelte sich um eine große autonome Einrichtung mit Unterkünften für Personal und Patienten, Werkstätten, einem Krankenhaus, einer Kirche, eigenen Anbauflächen und Gärten, einer Mühle, einer Schule, einem Friedhof und einem Prosektorium, Neben- und Verwaltungsgebäuden. Man schätzt, dass es mehr als 70 Gebäude auf dem Gelände gab, jedoch sind die meisten dieser Gebäude nicht erhalten geblieben. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Anstalt stillgelegt, und die behinderten minderjährigen Patienten der Anstalt wurden zumeist in Vernichtungslagern ermordet. Die Kückenmühle-Anstalt befindet sich in unmittelbarer Nähe des beliebten Kasprowicz-Parks, sodass ihre Überreste zusätzlich – im Rahmen eines Spaziergangs – besichtigt werden können. Wenn ich durch das Gelände der ehemaligen Anlage gehe, überkommt mich jedes Mal ein seltsames Gefühl der Beklemmung. Es ist ein interessanter Ort, der den Eindruck einer „Stadt in der Stadt“ vermittelt. Es ist auch interessant, die Veränderungen in diesem Gebiet zu beobachten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude des Werks an die entstehenden Stettiner Lehranstalten übergeben, die sie kürzlich veräußerten. Derzeit werden einige der Gebäude renoviert und für neue Funktionen angepasst. 

Der Ort könnte auch für Fans von Urbex, also der Erkundung verlassener Orte, interessant sein.

Standort der früheren Einrichtung: Kückenmühle

Adrenalin

Fans von Extremsportarten und Adrenalin werden sich freuen zu hören, dass es in Stettin den höchsten Seilsprungturm gibt, der seit kurzem auch der höchste Kletterturm ist. Und das alles in einem abgelegenen Stadtteil von Stettin im Süden, auf dem Gelände der berühmten stillgelegten „Wiskord“-Fabrik, in der früher Chemiefasern hergestellt wurden. Heute wird auf der Spitze des ehemaligen Fabrikschornsteins in 252 Metern Höhe Seil gesprungen, und seit kurzem ist auch eine Kletterwand in Betrieb, die mit einem Kletterwettbewerb unter dem Motto „Höher geht’s nicht“ eingeweiht wurde. Von der Spitze des Turms hat man einen schönen Blick auf die Oderauen. Ich glaube nicht, dass ich mich jemals trauen würde, aber ich ermutige alle Mutigen. Dieser Turm ist schließlich nicht umsonst da… 😉

Standort des Turms: Dream Jump Big Tower Szczecin

Stettiner Mosaike

Eine schöne Stettiner Tradition, die nach einer langjährigen Unterbrechung, seit einigen Jahren wieder an Popularität gewinnt, sind die Stettiner Mosaike. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in Stettin Materialmangel – ein Problem unter anderem für die lokalen Künstler, die sich mit dem begnügen mussten, was vorhanden war, also mit Schutt und Gegenständen, die die früheren Bewohner der Stadt zurückgelassen hatten. Infolgedessen wurde das Mosaik zu einer beliebten künstlerischen Methode, die besonders für die kommunistische Zeit charakteristisch war. Die ersten Mosaike wurden aus zerbrochener Keramik hergestellt, die in den Trümmern der Stadt gefunden wurde. Obwohl einige von ihnen im Laufe der Jahre von der Stettiner Landkarte verschwunden sind, werden seit einiger Zeit dank der Initiativen des Vereins „Oswajanie Miasta (Stadterschließung)“ und des Duos einer Künstlerin und einer Stadtführerin, die unter dem Motto „Stettiner Mosaike“ arbeiten, immer mehr solcher Werke geschaffen. Die Popularität der Mosaike nimmt wieder zu, und sie werden zu einem wichtigen Teil der lokalen Identität. Derzeit gibt es mehr als 100 (kartierte) Mosaike in der Stadt, die oft in Höfen und Gebäuden versteckt sind und mithilfe einer im Internet verfügbaren Karte entdeckt werden können (https://www.facebook.com/mozaikiszczecin). Jedes Mosaik erzählt eine andere Geschichte, und das Lesen der Mosaike kann eine sehr interessante Erfahrung sein. Jedes Jahr erstellt der Verein „Oswajanie miasta“ zusammen mit den Einwohnern weitere Mosaike, die an öffentlichen Plätzen, meist in vernachlässigten Innenhöfen, angebracht werden und zur Erkundung der Stadt und zur Neudefinition des Stadtbilds anregen. 

In den Fußstapfen der Stettiner Mosaiktradition wurde vor kurzem ein Café und Concept Store namens Mozaika im Stadtzentrum eröffnet, in dem man zwar keine Mosaike findet, aber eine andere Art von Puzzle erlebt. Es handelt sich nämlich um ein Geschäft, das von drei Künstlerinnen gegründet wurde, die den Ort selbst geschaffen haben. Und obwohl es in Stettin eine Reihe von Spezialitätencafés gibt, würde ich auf jeden Fall einen Besuch im Mozaika empfehlen, wo Sie nicht nur eine köstliche Tasse Kaffee trinken, einen selbstgebackenen Kuchen genießen und Kunst erleben können, sondern wo Sie sicher sein können, dass ihr Geld nicht nur in die lokale Wirtschaft fließt, aber auch in die Hände von wunderbaren, sozial engagierten Frauen. Das Mozaika ist schließlich ein offener Ort für alle sozialen und stadtgestaltenden Initiativen! Es lohnt sich also, während des Besuches der Stettiner Mosaike eine Pause im Mozaika einzulegen 😉

Standort Cafe Mozaika: MOZAIKA

Mittagessen

Für die Mittagspause empfehle ich die „Tourist“-Milchbar, die es schon seit Jahren gibt. Milchbars sind Lokale, die vom Staat subventioniert werden, um billiges Essen für alle anzubieten. Dies ist ein Überbleibsel aus der kommunistischen Ära, die ihnen auch ihren Namen gab, denn in den Milchbars gab es nur fleischlose Gerichte. Heutzutage dominieren in der Tourist-Bar Fleischprodukte, aber es gibt auch vegetarische Optionen. In der Turysta können Sie in einer äußerst egalitären Atmosphäre ein günstiges polnisches Mittagessen zu sich nehmen. Alle kommen ins Turysta: Arme, Reiche, Studenten, Familien… Die Zahl der Tische und Sitzplätze ist begrenzt, sodass man sich überall hinzusetzen kann. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie Firmenangestellte im Anzug neben alternativen Gymnasiasten oder älteren, bedürftigen Rentnern sehen. Jeder Besucher von Stettin sollte diese legendäre Bar besuchen. Besonders interessant kann die Erfahrung für Besucher aus dem Ausland sein, für die das Konzept der Milchbars völlig fremd ist. Im Übrigen habe ich selbst mehr als einmal in der Schlange für meine Lieblingsknödel mit Semmelbröseln und Zucker mit Besuchern aus Berlin geplaudert.

Standort Tourist-Bar: Bar Mleczny Turysta

Party

Ein Ort, den ich aufrichtig empfehlen kann, ist die Hala Odra am Flussufer, die in einem postindustriellen und sich schnell verändernden Stadtteil liegt. Der Veranstaltungsort bietet viel Platz zum Entspannen direkt am Fluss und verfügt über mehrere gastronomische Einrichtungen und Bars. Hier finden zahlreiche Veranstaltungen und tolle Partys statt, darunter auch solche, die von lokalen Musikkollektiven organisiert werden, aber auch Partys mit in Berlin ansässigen DJs, die hier regelmäßig auflegen, kommen nicht zu kurz. In alten Industriehallen zu spielen, umgeben von Werkstätten, einem Busdepot und neuen Bauträgerprojekten, und doch umgeben von Natur und Wasser – das ist ein echtes Stettiner Erlebnis, das man kennenlernen muss!

Standort Oderhalle: Hala Odra

Ihr könnt sicher sein, dass der Besuch eines dieser Orte euch die echte „Stettiner Experience“ bietet. Ihr werdet diese Stadt, die sich noch immer vom Zweiten Weltkrieg erholt und auf der Suche nach ihrer Identität ist, wahrhaftig kennenlernen. Ihr werdet nicht nur gut erhaltene Touristenattraktionen sehen, sondern auch vernachlässigte und verlassene Orte… echte und ebenso schöne Orte! Ihr werdet die vielfältigen und freien Bewohner der Stadt sehen, ihre Sprache und Kultur kennenlernen, die Verflechtung von Polen- und Deutschtum oder einfach nur den Lokalkolorit erleben. Ihr werdet die architektonische und gesellschaftliche Mischung erleben, die gemeinsam den seltsamen und einzigartigen Ort Stettin bilden.

(Der Text entstand im Mai 2023)

Wer steht dahinter?

Marcin Chruśliński (er/ihm)

Vizepräsident des Vereins "Oswajanie miasta" (Zähmung der Stadt), Absolvent des Studiengangs "Raummanagement" an der Universität Stettin , studiert aktuell Management der sozialen Projekte an der Universität Breslau; geborener Stettiner, seitdem er 16 ist beteiligt er sich an sozialen Aktivitäten in der Stadt, Aktivist, Liebhaber von Stettin und Umgebung, von seinen städtischen Aktivitäten berichtet er in den sozialen Medien unter "Marcin.o.miescie".

Gabriela Bierzynski

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Cora Litwinski

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