Die Bahnstrecke zwischen Berlin und Stettin wird ausgebaut. Sie soll in Zukunft die beiden Städte schneller miteinander verbinden. Ursprünglich war geplant, dass die neue Strecke Ende 2025 fertig sein sollte, dann wurde der Termin auf Ende 2026 verschoben. Jetzt gibt es eine weitere Verzögerung bis Ende 2027. Wolfgang Büttner von Städtepartner Stettin hat mit dem Projektleiter, Toni Hänsch, (DB InfraGO AG) gesprochen.
Wolfgang Büttner: Hallo, Herr Hänsch! Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Gespräch nehmen. Wir warten schon ganz ungeduldig auf die neue Bahnstrecke zwischen Berlin und Stettin. Wann wird denn die Strecke fertig sein? Wie lange dauert dann die Fahrt zwischen Berlin und Stettin? Und was erhofft sich die Bahn von dem Ausbau?
Toni Hänsch: Hallo Herr Büttner, vielen Dank für die Möglichkeit, die Fragen des Vereins Städtepartner Stettin heute direkt in einem Gespräch mit Ihnen beantworten zu dürfen. Mein Projektteam und ich können Ihre Ungeduld bezüglich der Fertigstellung der Strecke sehr gut nachvollziehen. Schließlich haben die Reisenden zwischen Berlin und Stettin dann viele Vorteile. Wir planen, die Fahrzeit um ungefähr 20 Minuten zu verkürzen. Das heißt, dass man in anderthalb Stunden von Berlin nach Stettin kommt, sobald die Strecke fertiggestellt ist. Wir werden mit dem Ausbau dafür sorgen, dass die Züge schneller fahren können – bis 160 km/h. Und wir werden mehr Verbindungen anbieten können. Das ist für die Kunden des Personenverkehrs eine gute Nachricht.
Es wird eine Zugverbindung geben, die Berlin direkt mit Stettin verbindet. Und es wird Züge geben, die an den Stationen auf dem Weg halten. Es geht auch darum, nicht nur Berliner und Stettiner mit dem Ausbau der Strecke zu beschenken, sondern zudem die Attraktivität der Region zu erhöhen. Mit der vollständigen Elektrifizierung der Strecke können Sie dann von Stettin in den Berliner Hauptbahnhof einfahren. Das ist jetzt mit der Diesellok nicht möglich. All dies motiviert uns, die Strecke so schnell wie möglich auszubauen.

Toni Hänsch
Die Deutsche Bahn hat die Verzögerung damit begründet, dass es schwierig sei Fachkräfte, Ingenieure zu finden. Andererseits habe ich den Eindruck, dass es auch eine Frage der Prioritäten ist. Die Sanierung der Riedbahn etwa wurde ja pünktlich abgeschlossen.
In jedem Großkonzern gibt es viele Baustellen. Da muss man dann überlegen, was gerade am wichtigsten ist. Wenn beispielsweise der Partner in Polen sagt, er wird die Strecke erst Ende 2027 fertigstellen, dann liefert dies natürlich Argumente andere Projekte bei uns schneller umzusetzen. Denn: Auch, wenn wir keine Verzögerung bei uns festgestellt hätten, wäre hinter dem Grenzstein dann Schluss gewesen.
Zudem haben wir noch keine Baugenehmigung, also keinen Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau von Passow bis zur Grenze. Und: Wir stehen oft vor Problemen bei Kapazitäten und Ressourcen. Das betrifft zurzeit vor allem Fachkräfte im Bereich der Leit- und Sicherungstechnik. Der Bedarf an diesen Experten und Expertinnen hat sich aufgrund der deutlichen Zunahme der Bautätigkeiten der DB stark erhöht.
Aber kommen wir nochmal zum Baurecht. Wir haben das Verfahren 2021 eingeleitet und stehen vor Herausforderungen wegen des europäischen Vogelschutzgebietes. Wir planten während einer Vollsperrung von sechzehn Monaten, die Strecke zwischen Passow bis zur Grenze zu erneuern und ein zweites Gleis zu bauen. In diesen sechzehn Monaten müssen wir zwischen April und August Bauverbote wegen der Brutzeiten einhalten, wobei der Sommer für uns natürlich die beste Bauzeit ist. Die Verbote müssen wir berücksichtigen, denn wir wollen natürlich die Auswirkungen unseres Projekts auf die Natur so gering wie möglich halten. Dies macht den Genehmigungsprozess gar nicht so einfach und erfordert dann leider hier auch ein bisschen mehr Zeit, als wir uns zumindest beim Projektaufsatz vorgestellt haben.
Gleichzeitig nutzen wir aber die Zeit, die die Verschiebung bringt: Wir haben im letzten Jahr die Bauunternehmer beauftragt. Wir sind dabei, die Ausführungsplanung für den Ausbau vorzunehmen. Sobald der Planfeststellungsbeschluss vorliegt, werden wir die Baustraße herstellen. Wir untersuchen die Strecke nach Kampfmitteln und Bodendenkmälern. Wir führen Umweltmaßnahmen durch. So werden etwa Zauneidechsen abgesammelt und umquartiert, Zäune werden aufgestellt, Nistkästen angebracht.

Der Ausbau ist ein Projekt zwischen Polen und Deutschland in der Mitte Europas. Wie sieht denn die Kooperation zwischen der deutschen und der polnischen Bahn aus?
Das ist ein sehr enger Austausch, beispielsweise wenn es um konkrete technische Herausforderungen wie den Bau der Oberleitungsanlage geht. Auf deutscher Seite haben wir eine wechselstrombetriebene Oberleitung; die polnische Seite hat eine Gleichstromanlage. Es muss deshalb eine Systemtrennstelle hergestellt werden, damit es keinen Kurzschluss auf beiden Seiten gibt. Und die wird kurz hinter der Grenze auf polnischer Seite gebaut. Dafür gibt es einen intensiven Austausch zwischen unseren Experten und Expertinnen. Wir treffen uns dann auf halber Strecke bei Frankfurt an der Oder, in Berlin oder in Warschau. Aber es gibt gleichzeitig auch wöchentliche Gespräche online. Die Sprache ist dabei eine Herausforderung, aber uns helfen Dolmetscher. Es gibt auf Projektebene regelmäßige Treffen mit dem polnischen Projektleiter der Ausbaustrecke, im Regionalbereich und auch auf Ministerebene. Das ist auch absolut notwendig, gerade bei der Ausrüstungstechnik, der Stellwerkstechnik, der Telekommunikation. Da braucht es diese Verzahnung und das passiert dann im engen Austausch unserer Ingenieure und Ingenieurinnen
Anders ist es bei den Ausschreibungen und der Finanzierung. Jedes Land hat seinen eigenen Planer, der in europaweiten Ausschreibungen den Zuschlag erhalten hat. Dann müssen die Planer zusammengebracht werden. Das klappt zurzeit sehr gut. Die Planungs- und Genehmigungsprozesse laufen jedoch sehr unterschiedlich. Da haben wir auf deutscher Seite das Eisenbahnbundesamt, das auch für den Schallschutz verantwortlich ist. Das läuft etwa auf polnischer Seite komplett anders ab.
Auch bei der Finanzierung gibt es große Unterschiede. Der Bund finanziert nur den Ausbau auf der deutschen Seite. Polen ist stark abhängig von der Finanzierung durch EU-Mittel. In Deutschland schaffen der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg die Finanzierungsgrundlage. Die EU-Finanzierung ist in Deutschland nur ein Ersatz der bereits zur Verfügung gestellten Mittel der Länder Berlin und Brandenburg. Aber auf polnischer Seite sind die EU-Mittel eine Notwendigkeit und im letzten Jahr gab es die Finanzierungszusagen nicht, daher musste die polnische Bahn den Ausbau verschieben. Es ist aber nicht alles schwarz oder weiß. Da gibt es beispielsweise Kabelanlagen, wo auch die deutsche Seite die Finanzierung mit unterstützt. Aber grundsätzlich ist bei der Finanzierung die Grenze eine Grenze. Dann ist es unsere Aufgabe als Projektmanagement, die Schnittstellen zu verbinden.
Und welche Rolle spielt die Strecke Berlin- Stettin im europäischen Schienentransportnetzwerk? Hat die Strecke auch europaweit Bedeutung?
Wir sind ein relevanter Korridor in Europa. Wir müssen mit unserem Ausbau alle Anforderungen des transeuropäischen Netzes einhalten. Deshalb ist auch eine Finanzierung mit EU-Mitteln möglich. Und durch die aktuelle sicherheitspolitische Entwicklung gewinnt der Ausbau auch eine größere Bedeutung. Wir sind mit allen unseren Maßnahmen in Brüssel dabei. Da interessiert man sich für uns. Da sind wir relevant. Dadurch sind die Anforderungen für den Streckenausbau an der einen oder anderen Stelle auch eine kleine Herausforderung. Aber insgesamt ist für uns die politische und finanzielleUnterstützung Europas eine große Motivation.

Sie bekommen bestimmt auch immer wieder Anfragen von Bürgern über den Streckenausbau. Was sind denn die wichtigsten Themen?
Zum einen ist es die Unsicherheit, wann denn die Strecke endlich fertiggestellt wird. Gerade auch das Thema Schienensatzverkehr bewegt die Menschen. Da erhalten wir viele Anfragen.
Auf der anderen Seite ist es dann das Thema Betroffenheit vor Ort. Es ist für die Reisenden toll, wenn die Eisenbahn mit 160 km/h fahren kann. Aber wenn es neben deinem Grundstück passiert, wenn dort der Schotter neu hergestellt wird oder vielleicht auch Flächen für uns abgegeben werden sollen, dann ist dies für die Anwohnenden ein Problem.
Dann gibt es die Diskussionen über Schallschutzwände. Das ist sehr ambivalent.
Da gibt es einige, die sagen, ich bin es gewohnt, mit der Eisenbahn hier zu leben. Ich brauche die Geräusche zum Einschlafen oder auch den freien Blick auf die Züge. Und andere sagen, auf gar keinen Fall. Ich möchte vor dem Lärm geschützt werden und wir sind als Bahn dazu gesetzlich verpflichtet. Aber da scheiden sich bei unseren Infoveranstaltungen für Bürgerinnen und Bürger immer wieder die Geister. Wichtig ist es zu wissen, dass letztendlich nicht wir als Projektteam über den erforderlichen Schallschutz entscheiden, sondern die Genehmigungsbehörde, das Eisenbahn-Bundesamt.
Noch eine Frage zum Ersatzverkehr während des Ausbaus. Es gibt immer wieder Probleme, dass sich Bahn und Bus bei Verspätungen in Angermünde nicht abstimmen oder dass die Bahnverbindung über Pasewalk nicht gut geregelt ist. Wie könnte das denn besser organisiert werden?
Anmerkung: Da fehlt mir leider der Einblick in die Planungen des Fahrplans. Ich nehme aber auf jeden Fall die Frage mit und gebe das an meine Kolleginnen und Kollegen weiter. Der Schienenersatzverkehr ist für unsere Kundinnen und Kunden ein großes Thema.
Und die letzte Frage: Sind Sie selbst ab und zu in Stettin?
Wir sind als Team vor einiger Zeit nach Stettin gefahren, einerseits um selbst den Schienenersatzverkehr auszuprobieren. Zum anderen ging es darum, die Stadt besser kennenzulernen. Unsere Kollegen und Kolleginnen bei der polnischen Bahn sitzen leider nicht in Stettin, sondern in Posen oder Warschau. Aber eine der nächsten Infrastrukturtagungen der deutschen und polnischen Leitung wird möglicherweise auch wieder in Stettin stattfinden.
Herr Hänsch, vielen herzlichen Dank für das Gespräch!
Ich danke Ihnen, Herr Büttner.
Berlin, 11. April 2025
Fotos:
(c) Schnellumbauzug „Mammut“, von DB InfraGO AG, J. Mlosch
(c) Szczecin Central Railway Station, von onnola
(c) RE nach Szczecin, von kaffeeeinstein